Wir haben Augen, um zu sehen, aber sehen nicht: Fortlaufende Meditationen zum kolonialen Orbit

Colonial Neighbours lädt ein zu einer zweiten Ausgabe von Fragments  – einer Reihe künstlerischer Interventionen mit Savvy Contemporarys Archivprojekt. Der erste Teil von Abrie Fouries Intervention We have eyes to see but do not see, einer Serie von Foto- und Videoarbeiten, wurde parallel zu der Ausstellung Everything is Getting Better: unknown knowns of Polish Colonialism, kuratiert von Joanna Warsza, eröffnet. Der zweite Teil, zu sehen während Every Time a ear di soun: Savvy Funk – a documenta 14 Radio Program, ist eine Fortsetzung von Abrie Fouries Meditationen über den kolonialen Orbit, „Wir haben Augen, um zu sehen, aber sehen nicht – weil Sehen Beweis ist, und etwas mit den Augen zu finden sehr oft dem widerspricht, was dir gesagt wurde.“
Wesentlich für dieses Arrangement von Fotografien, Audio und Text ist ein Interesse an der teilweise unberechenbaren und komplexen Beziehung zwischen Fotografie und Fiktion, und der Trennung zwischen Erinnerung und dem, was wir als Betrachter*innen und Konsument*innen von Fotografie auf das Medium projizieren.

Die Idee von Zäunen, speziell den „Zäunen zwischen Nachbar*innen“, greift als Antwort auf Abrie Fouries Bilderarchiv auf einen Text von Sean O’Toole zurück. Jene Vorstellung bezieht sich auf eine Reise von O’Toole zu der Grenze zwischen Simbabwe und Südafrika bei Musina, einer unruhigen Grenzstadt, geprägt durch ihre Nähe zu dem gewaltigen elektrischen Zaun, der sich – bis heute unsagbare Gewalt verursachend – über tausende Kilometer erstreckt. Die Fotos der namibischen Landschaften machen die Fortsetzung dieser Mauer in namibisches Land bewusst. Die „Rote Linie“, eine interne Grenze, welche für einen grenzziehenden Prozess steht, der zurückgeht auf das 19. Jahrhundert als Teil der Etablierung kolonialer Kontrolle während der deutschen Besatzung. 

Innerhalb der Umgebung von Fouries persönlichem digitalen Archiv von Fotografien verschiedener Orte, Deutschland eingeschlossen, erklärt die Kreidelinie ein Reflektieren über die Vorstellung von Zäunen, nicht nur in ihren materiellen und sichtbaren Funktionen, sondern auch wie Zäune auf Kolonialismus, Strukturverhältnisse und Zwischenräume zurückzuverfolgen sind. „Der Zaun“ fungiert nicht nur zwischen benachbarten Ländern, Nachbar*innen in unserer Nachbarschaft oder der Person direkt neben uns, sondern auch zwischen dem, was wir sehen, was wir erinnern und dem, was unserem Auge verborgen bleibt.