Jean-Ulrick Désert
Auffällige Unsichtbarkeit
Werke 1997–2023
EinzelAusstellung
Eröffnung 15.06.2023 19:00 Mit einem DJ-Set von Boris
Öffnungszeiten 16.06.–17.07.2023 Donnerstag–Sonntag 14:00–19:00
Freier Eintritt Spenden erwünscht
Besuch SAVVY ist mit dem Rollstuhl zugänglich
SAVVY TOUREN DURCH DIE AUSSTELLUNG
22.06.2023 18:00 Auf Englisch Mit Mokia Laisin
29.06.2023 18:00 Auf Deutsch Mit Mokia Laisin
06.07.2023 18:00 Auf Englisch Mit Hubert Gromny
09.07.2023 16:00 Auf Polnisch Mit Hubert Gromny
13.07.2023 16:00 Auf Englisch Mit Kelly Krugman
16.07.2023 15:00 Auf Englisch Mit dem Künstler Jean-Ulrick Désert und dem Künstlerischen Leiter Renan Laru-an
Jean-Ulrick Désert ist der erste Empfänger von Wi Di Mimba Wi – einem neuen Kommissionspreis für Künstler:innen of Colour in Deutschland, der 2021 von der AKB Stiftung und SAVVY Contemporary ins Leben gerufen wurde. Das Werk von Jean-Ulrick Désert beeindruckt durch seinen Umfang und Einfallsreichtum. Seine jahrzehntelange Arbeit in Deutschland hat Räume für entscheidende Fragen und Praktiken geschaffen und geformt. Wir würdigen seine kontinuierliche Praxis und sein Werk mit dem Preis und mit Auffällige Unsichtbarkeit. Werke 1997–2023:
Diese Einzelausstellung ist eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen die künstlerische und intellektuelle Praxis von Jean-Ulrick Désert mit seinen Routen, Biografien und Abenteuern im Denken, Fühlen und in der Geschichte kollidiert. Die erste monografische Ausstellung von Désert in Deutschland zeichnet einen in der Diaspora belebten und vom Eros und Pathos von Rassifizierung und Ethnifizierung geprägten Lebensweg nach. Die Auswahl aus dem seit 1997 produzierten Werk des Künstlers zeichnet eine Struktur der Verschiebung, der "Nichtsichtbarkeit" und der Scham nach. Die Ausstellung ist gleichermaßen reizvoll, konfrontativ und beinahe schüchtern – nicht zwingend gleichzeitig, sondern in einer pulsierenden Orchestrierung von Erzählung und Kritik, Humor und Intelligenz, Fabulieren und Untersuchen: durch schillernde Materialien, die die künstlerische Positionen sichtbar machen. Désert nennt dies "auffällige Unsichtbarkeit".
InAuffällige Unsichtbarkeit. Werke 1997–2023 wird auch “The Archive/ a work in progress” zu sehen sein, eine neue, interaktive Auftragsarbeit, die mit Hilfe von Augmented Reality einen Zugang zu kolonialen Artefakten aus der westafrikanischen Sammlung des Ethnologischen Museums in Dahlem schafft. Indem er die Impulse für Opazität und Transparenz kreuzt, gibt Désert einer Theorie der Dauerhaftigkeit ebenso Gestalt wie der Aufgabe, kontaminierte Gegenstände aus den Gegenständen der heutigen Diskursindustrie hervorzuheben. Damit ermöglicht er ein Nachdenken über die ethisch-politischen Auswirkungen einer in der Museologie, Kunst- und Wissensproduktion sowie Kultur im Allgemeinen unternommenen Dekolonisierung. "The Archive/ a work in progress" kommentiert beeindruckende Verpflichtungen wie Restitution und die Abschaffung von Museen durch persönliche, beiläufige Begegnungen mit berauschenden Erfahrungen von Gold, Lächeln, Fetischen, Blicken, Kinks, Lachen und anderen Vergnügungen aus dem Bereich der Freizeit oder der öffentlichen Unterhaltung. Ohne Berührung oder Druck, stellt die Kraft in Déserts archivarischer Enthüllung aus allen Blickwinkeln neu zusammen, wie koloniale Körper aus aktuellen Konstellationen der Beurteilung und Analyse auftauchen und in unterschiedlichem Umfang zu Poetik und Visualität einladen können.
Die von Renan Laru-an mit Hubert Gromny und Mokia Laisin kuratierte Ausstellung folgt Désert auf Zeitachsen, auf denen die Beziehung des Künstlers zu verschiedenen Vektoren und sich überschneidenden Passagen zusammenfallen: ein Anfang, das N-Wort, queere Spielarten, Tod/Dunkelheit. Sie ist ein Zufluchtsort für das Emotionale, an dem die Betrachtenden in eine Ökologie von Gegenständen und Oberflächen eintauchen, die Désert aus seinen Vorstellungen von der Schwarzen, archipelagischen Karibik bezogen hat. Er vermeidet erwartbare Taxonomien, die sich im Laufe der Moderne herausgebildet haben, um Beziehungskonfigurationen zu privilegieren, die den Künstler, das Publikum und das Kunstwerk miteinander verbinden. Kunstwerke, die zuvor in verschiedenen Kunstkreisen zirkulierten, finden hier eine neue Vitalität in der Gegenüberstellung und Triangulierung ihrer affektiven Gravitas, wodurch das Publikum beim Betrachten von Empathie geleitet wird.
Weitere Interventionen aus den Beständen der stetig wachsenden Bibliothek von SAVVY Contemporary und des permanenten Colonial Neighbors-Archivs unterbrechen den Ausstellungsraum, um mögliches Unbehagen zu lindern und die Betrachtenden mit thematisch verwandten Verweisen und Materialien zu versorgen. In der Ausstellung verortet jeder Kontakt mit ästhetischer Sprache, sozio-historischen Bedingungen und moralischen Inhalten Déserts Anliegen als zeitgenössische öffentliche Themen. Denn Désert, der die Wirkung unangenehmer Gefühle erahnt, klagt die dominanten Kulturen in CONSPICUOUS INVISIBILITY durch die Taktik des unmerklichen Reizes an: dadurch, ein verführerisches, beunruhigendes und kokettes Augenzwinkern in der Verschiedenheit zu sein.
JEAN-ULRICK DÉSERT ist ein in Port-au-Prince/Haiti geborener Künstler, der heute in Berlin/ Deutschland lebt und arbeitet. Seine Arbeiten variieren in ihrer Form: öffentliche Plakate, Aktionen, Gemälde, ortsspezifische Skulpturen, Video- und Kunstobjekte. Sie gehen aus einer Tradition konzeptioneller Arbeit hervor, die sich mit sozialen und kulturellen Praktiken beschäftigt.
Bekannt für seine provokanten wie poetischen Projekte, stellte er bereits in zahlreichen Institutionen wie dem Brooklyn Museum, dem Contemporary Arts Museum of Houston, der Grey Art Gallery NYU/Studio Museum of Harlem, dem Walker Art Center in den USA, der Cité Internationale des Arts in Frankreich, der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst in Deutschland sowie in Galerien und öffentlichen Einrichtungen in Amsterdam, Rotterdam, Gent und Brüssel aus. Er erhielt Auszeichnungen und öffentliche Aufträge durch den Lower Manhattan Cultural Council (USA), die Villa Waldberta-München, die Kulturstiftung der Länder (Deutschland) und der Cité des Arts (Frankreich). Seine Abschlüsse erhielt er an der Cooper Union und der Columbia University und war Gastdozent und Kritiker an Universitäten in den Vereinigten Staaten (Princeton, Yale, Columbia), Deutschland (Humboldt Universität zu Berlin) und Frankreich (École supérieure des Beaux-Arts, Paris). Darüber hinaus berät und unterrichtet er am Trans Art Institute (New York). Désert gründete sein Berliner Studio im Jahr 2002. Jean-Ulrick Désert war der für den Haitianischen Pavillon ausgewählte Künstler bei der 58. Venedig-Biennale, Italien.
Team
Künstlerische Leitung Renan Laru-an
KURATION Renan Laru-an mit Hubert Gromny und Mokia Laisin
KURATORIsche Beratung Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, Mirjami Schuppert
KURATORIsche Recherche Mokia Laisin
Ausstellungsdesign Hubert Gromny
PRODUkTION Hubert Gromny, Mokia Laisin
PROJEkTkOORDINATION uND MANAGEMENT Kelly Krugman
MANAGEMENT Lema Sikod
KOMMUNIkATIONS Anna Jäger
KOMMUNIkATIONSASSISTenz Christèle Baonga Alunga
GRAPHIkDESIGN Juan Pablo García Sossa
Übersetzung Anna Jäger
S A V V Y . D O C Onur Çimen, Ingrid Jones
Praktikum Sara Vallis, Ingrid Jones
XR TECH Elisabeth Thielen
ART-HANDLING Waylon D'Mello, Santiago Doljanin, Ayham Kayal, Roberto Uribe Castro, Herman Abiyah, Nancy Naser Al Deen, Anna Fasolato, Nicolas Mastracchio
LIcHTDESIGN Emilio Cordero
TECH Bert Günter
ZUSAMMENARBEIT & FÖRDERUNG Das Projekt wird großzügig von der AKB Stiftung unterstützt. Die Produktion von "The Archive/ a work in progress" wurde ermöglicht durch die Stiftung Kunstfonds (NEUSTART KULTUR-Stipendium für bildende Künstler:innen)
Unterstützung Mit Dank an die Staatlichen Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Ethnologisches Museum, Fachreferat Afrika, für die Unterstützung der neuen Arbeit "The Archive/ a work in progress".
Ein zweiter, von Mirjami Schuppert kuratierter Teil der Ausstellung ist von 6.7.–6.8.2023 in der Titatink Galerie in Turku, Finnland, zu sehen.