THE INCANTATION OF THE DISQUIETING MUSE:
Von Göttlichem, Supra-Realitäten oder der Austreiberei von Hexerei
AUSSTELLUNG 03.06.–07.08.2016 Don–Son 14:00–19:00
mit Georges Adéagbo Atis Rezistans (Henrike Naumann Bastian Hagedorn Guerly Laurent) Sammy Baloji Jean-Ulrick Désert Haris Epaminonda Em’kal Eyongakpa Louis Henderson Ayrson Heráclito Dil Humphrey-Umezulike Patricia Kaersenhout Kiluanji Kia Henda Vladimir Lucien Marco Montiel-Soto Emeka Ogboh Priscila Rezende Nassim Rouchiche Georges Senga Buhlebezwe Siwani Andrew Tshabangu Minnette Vári
Invokationen 09.06.–12.06.2016 Don–Son 14:00–19:00
mit Nora Adwan Ayodele Arigbabu The Bakol Jean-Pierre Bekolo Christian Botale Molebo Erna Brodber Lamin Fofana Shirin Fahimi Sasha Huber & Petri Saarikko David Guy Kono Vladimir Lucien Seloua Luste Boulbina Percy Mabandu Olivier Marboeuf Lêda Martins Carlos Martiel Achille Mbembe (Skype) Molemo Moiloa Katrien Pype Greg Tate Angela Wachuka Wanda Wyporska Jason Young
Kurator Bonaventure Soh Bejeng Ndikung
Co-Kuratorin Elena Agudio
Co-Kuratorin Performance Programme
Nathalie Mba Bikoro
The moth that enters
your house at night is a grudge
that somebody is holding
against you. It half-sits, bothered
by your light and the roof
over your head. It spreads
its small evening wherever
it lands, over the things
you love most. A dark tent
of dark intentions.
Jegliches Nachdenken über die “Zukunft” erfordert eine tiefgründige Betrachtung der Vergangenheit sowie der Gegenwart. Falls nicht, sind Diskurse über Zukünfte und Futurismen von vornherein eskapistischer Natur – faszinierend aus der Ferne aber weit entfernt fern von faszinierend bei näherer Betrachtung. Dieses Projekt schlägt daher vor, Hexerei und ihre Redewendungen, Sprichwörter, Metaphern, Symbole, Gesänge und anderweitigen Ausdrucksformen als Erscheinungen kultureller, ökonomischer, politischer, historischer, medizinischer, technologischer und wissenschaftlicher Infrastrukturen zu betrachten, auf welchen parallele Realitäten gebaut sind und auf denen Zukünfte gebaut werden können. Es wird Hexerei als einen epistemologischen Raum untersuchen und als ein Medium für Kontinuitäten zwischen dem afrikanischen Kontinent und der afrikanischen Diaspora betrachten.
Inadequately stressed are the aspects of witchcraft that emphasize interdependence and conviviality without obfuscating the individual or collective aspirations to dream, fantasize and explore new dimensions of being. A closer look at the everyday discourses and practices of Cameroonians suggests that witchcraft is about much more than just the dark side of humanity. As a multidimensional phenomenon, witchcraft is best studied as a process in which violent destruction and death are rare and extreme exceptions, employed mostly when all attempts at negotiating conviviality between the familiar and the undomesticated have been exhausted.
Detailfragen zu Fachausdrücken oder Urteilen darüber, ob Hexerei gut oder böse ist, sind hierbei nicht von Interesse. Vielmehr geht es um eine Verkomplexifizierung durch die Untersuchung von Konzepten des Übernatürlichen jenseits der Fehlannahmen westlicher Wissenschaft und Religion. Es geht darum, durch kritische Fragen neue Räume des Verstehens zu öffnen. Das Prisma von Kunst und Diskurs wird dabei eingesetzt, um Hexerei von seiner Verortung im “savage slot” zu befreien, wo sie seit Jahrhunderten von monotheistischen Religionen und der “Wissenschaft” eingesperrt wurde.
In einer Ausstellung und einer Reihe von Invokationen sind Künstler*innen, Kulturschaffende und Wissenschaftler*innen dazu eingeladen, über die folgenden Facetten nachzudenken:
Pour en Finir avec le Jugement de Dieu:
Die Austreibung von Hexerei im Ritual
“Du sollst keine anderen Götter neben mir haben” – der biblische Leitsatz verurteilt noch immer rituelle Praktiken, die nicht mit monotheistischen Religionen konform sind. In diesem Ausstellungskapitel wird ‘Hexerei’ aus einer religiösen und rituellen Perspektive betrachtet, um zu exorzieren – nicht die Geister, die der Hexerei innewohnen, sondern vielmehr die Projektionen, die Hexerei auferlegt werden. Artauds “Pour en Finir avec le Jugement de Dieu” dient hier als Metapher von Hexerei als Anfechtung, als Durchkreuzen, als Rebellion gegen Religions- und Machturteile innerhalb kolonialer Unternehmungen sowie beim Verständnis von Hexerei als Verkörperung von und Zustimmung zu einer Vielzahl von Göttern, Gottheiten und anderen höheren Wesen.
Künstler*innen Georges Adéagbo Haris Epaminonda Georges Senga Vladimir Lucien Andrew Tshabangu
Beyond Abyssal Thinking:
Hexerei als Epistemologie
Praktiken von Hexerei umfassen einen Reichtum an unterschiedlichsten Wissenssystemen während gleichzeitig komplexe technologische Konzepte wie das binäre System, das unsere Computer kodiert, für viele eine Form von fortgeschrittener Magie darstellt. Dieses Kapitel zielt darauf ab, abyssisches Denken und epistemische Blindheit zu überwinden, um andere Wissensökologien (Boaventura de Souza Santos) zu erforschen. Dabei wird es sich mit Hexerei als Wissensproduktion und –verbreitung sowie als epistemologische Systeme beschäftigrn.
Künstler*innen Em’kal-Eyongakpa Louis Henderson Marco Montiel-Soto Emeka Ogboh Buhlebezwe Siwani Minette Vari
Na who gi you for Nyongo?
Über Zombifizierungsökonomien
Dieses Kapitel spielt mit Überlegungen zu Erscheinungsformen von Hexerei aus ökonomischem Blickwinkel. Zombifizierung, also der Akt einen Menschen für ökonomischen Gewinn zu opfern, wird in auch Ekong (Douala), Nyongo (Bakweri), Shipoko (Mosambik), Obasinjom (Banyangi) etc. genannt. Sie kann verglichen werden mit Marx’ Überlegungen zu Entfremdung, da Lohnarbeit die Entfremdung vom Leben darstellt: man arbeitet nicht, um zu leben, sondern um Mittel zum (Über-)Leben zu erhalten während die Kapitalisten den Arbeitsprozess und das Produkt der Arbeit besitzen. Dies gilt ebenso für die Konzepte von Nyongo etc., die ausgelöst wurden mit Beginn des kapitalistischen Systems, im Zeitalter der Sklaverei.
Künstler*innen Atis Rezistans Sammy Baloji Jean-Ulrick Désert Dil Humphrey-Umezulike
we see am fo wata:
Über Supra-Realitäten und Soziopolitiken
Anekdoten, Mythen und andere Erzählungen von Hexerei sind in vielen Gesellschaften omnipräsent – besonders in Afrika. Seien es die politischen Eliten, Familienbeziehungen, Heilungsaussichten, oder Machtbeziehungen; sei es in der Art wie eine Gesellschaft gebildet, geleitet und beschützt wird; sei es in literarischen, filmischen oder folkloristischen Ausdrucksweisen – all diese parallelen Realitäten bilden das Rückgrat der soziopolitischen Strukturen. Dies bildet sich ab in alltäglichen Ausdrücken: we see am fo wata (Haben wir im Wasser gesehen) ist eine gängige Antwort auf die Frage: Woher weißt du das denn? Es nimmt die Möglichkeit an, etwas zu wissen, das jenseits des Bereichs der Vernunft agiert, existiert und zum Ausdruck kommt. Es bedeutet, in den Abgrund des Unbekannten zu blicken, um Antworten auf Fragen zu finden, die erst noch gestellt werden müssen.
Künstler*innen Kiluanji Kia Henda Patricia Kaersenhout Ayrson Heráclito Priscila Rezende Nassim Rouchiche
The Incantation of the Disquieting Muse is part of the African Futures project initiated by the Goethe-Institut. The project is supported by the Goethe-Institut and the TURN Fund of the German Federal Arts Foundation. What might various African futures look like? How do artists and scholars imagine this future? What forms and narratives of science fictions have African artists developed? Who generates knowledge about Africa? And, what are the different languages we use to speak about Africa’s political, technological and cultural tomorrow? These were some of the questions addressed by the festival African Futures, initiated by the Goethe-Institut. Three concurrent interdisciplinary festivals in Johannesburg/South Africa, Lagos/Nigeria and Nairobi/Kenya in October 2015 explored the future, following potential narratives and artistic expression in literature, fine arts, performance, music, film, and digital formats. In 2016, African Futures will be continued in Berlin in partnership with SAVVY Contemporary. goethe.de/africanfutures