Everything is getting better:
Unbekannt Bekanntes vom
polnischen (Post)-Kolonialismus
Ausstellung 28.04.–04.06.2017 Do–So 14:00–19:00
Eröffnung 27.04.2017 19:00
Mit Agnieszka Polska, Emma Wolukau-Wanambwa, Janek Simon, Karol Radziszewski, Linas Jablonskis, Marek Raczkowski, Oleksiy Radynski, Slavs and Tatars, Tomáš Rafa, Zbigniew Libera, Zorka Wollny mit Christine Schörkhuber (zu El Hadji Sy), The Club of Polish Losers
Kuration Joanna Warsza
Architektur Janek Simon
Kuratorische Assistenz Mirela Baciak
Symposium 28.04.2017 15:00–19:00
Kurator Jan Sowa
Mit Andrzej Leder, Ekaterina Degot, Janek Simon im Gespräch mit Ana Teixeira Pinto, Monika Bobako, Oleksiy Radinsky, Slavs and Tatars
eintritt Auf Spendenbasis 3€/5€
Angesichts der jüngsten Entwicklungen in Polen, haben Sie sich vielleicht gefragt, was da eigentlich vor sich geht? Wie konnte sich die regierungsgetriebene Rhetorik „sich aus der Unterwürfigkeit-Erhebens“ derart etablieren ebenso wie die Distanzierung von der EU, die hartnäckige Verweigerung jeglicher kritischen Selbstbefragung und die Angst vor dem „Anderen“?
Die Ausstellung Everything is Getting Better. Unbekannt Bekanntes vom polnischen (Post)Kolonialismus und das begleitende Symposium versuchen die Trope des permanenten polnischen Exzeptionalismus und Opferstatus (stets zwischen Deutschland und Russland hin- und hergerissen) umzudrehen, indem die kolonialen und postkolonialen Kräfte in den Blick genommen werden, die in osteuropäischen Territorien gewirkt haben. Als Hegemon seiner eigenen Geschichte verortete Polen seine expansiven Träumereien sowohl in der unmittelbaren Nachbarschaft (Ukraine und Litauen), als auch in Übersee, was auch in der derzeitigen politischen Rhetorik der Rechten nachhallt. Das Rückgrat der Ausstellung stellt die von dem Künstler-Reisenden Janek Simon performativ aufgeführte Chronik des Marine- und Kolonialbundes dar, die eine Reihe von Werken seiner Erkundungen in die kulturellen Geographien des polnischen kolonialen Erbes miteinschließt. Tatsächlich besteht die Liga Morska, der 1930 zur Etablierung von Kolonien in Kamerun oder Madagaskar gegründete Marinebund, noch heute in Form einer Meeres- und Flussgesellschaft.
In der Ausstellung wird diese Chronik von einer Auswahl an künstlerischen Arbeiten erweitert, kontextualisiert und mit Fußnoten versehen. Emma Wolukau-Wanambwa setzt sich mit der Geschichte der polnischen Flüchtlinge auseinander, die während des zweiten Weltkriegs in den Iran flohen, von wo aus einige weiter nach Uganda zogen und dort in Flüchtlingslagern lebten. Das Kollektiv Slavs and Tatars zeigt eine Reihe von Arbeiten über andere Orientalismen, ausgehend von der antimodernistischen Trope, in die Vergangenheit zurück zu blicken, sich jedoch in die Zukunft zu bewegen. Der neue Film von Agnieszka Polska bezieht sich auf das Slawentum, wie es von der renommierten Wissenschaftlerin Maria Janion untersucht wurde: ein Konzept, das einerseits Polen unbeabsichtigt näher an Russland rückt, andererseits jedoch dessen Wünsche nach westlichem Universalismus zum Preis der Selbstkolonisierung verstärkt. Karol Radziszewski schildert das Leben von August Agbola O’Brown, einem nigerianischen Jazzmusiker und Kämpfer des Warschauer Aufstands; Zbigniew Libera imaginiert den Moment des fröhlichen Anschlusses polnischer Truppen an die US Mission im Irak im Jahr 2003; der in Kiew lebende Künstler Oleksiy Radinsky macht die derzeitigen Mechanismen des polnischen infrastrukturellen Protektionismus in der Ukraine sichtbar, während der in Vilnius lebende Linas Jablonskis das imaginäre Szenario eines von Polen beherrschten Litauens entwirft. Zorka Wollny erzeugt eine akustische Erweiterung der Gemälde von El Hadji Sy, die die tödlichen Gefahren von Migrant*innen auf dem Meer thematisieren. Marek Raczkowski, Tomáš Rafa und der Berliner Klub der Polnischen Versager diagnostizieren den aktuellen Wahnsinn eines Landes, in dem politische Eliten abermals von einem Intermarium träumen – einer geopolitischen Föderation des osteuropäischen Blocks, die von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer reicht und von Polen angeführt wird. Die Ausstellung erzählt von der (post)kolonialen Psyche eines neurotischen Landes, das dem Osten genauso wie dem Westen zugleich überlegen und unterlegen sein will und wo „sich heute alles zum Besseren entwickelt.“
Förderung Diese Projekte wurde vom Hauptstadtkulturfonds gefördert