Julius Eastman:
Let Sonorities Ring
Unser einjähriges Recherche-, Ausstellungs und Performanceprogramm, das sich mit Leben und Werk des Komponisten, Sängers und Musikers Julius Eastman beschäftigt, kulminiert in einer Ausstellung und in einer Festschrift.
Ausstellung, Dokumentations- und Hörstation 17.03.–26.03.2017 14:00–19:00
Eröffnung und Konzert 16.03.2017
performance 22.03.2017
Programm
16.03.2017
18:00 | Performance Hassan Khan Live Ammunition! Music for Clapping, String Quartet and Live Electronics |
19:30 | Performance Jace Clayton ALLGEGENWART (OMNIPRESENCE document 1) |
22.03.2017
19:00 | Performance Mwangi Hutter |
konzept Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, Berno Odo Polzer
Produziert von savvy Contemporary and MaerzMusik – Festival for Time Issues
Kurator*innen Antonia Alampi, Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, Berno Odo Polzer, Elena Agudio
Recherchekuratorin Lynhan Balatbat-Helbock
Förderung Für Hassan Khan: ZK/U – Centre for Art and Urbanism
Raumkonzept Lorenzo Sandoval
Vom 17. Zum 26. Maerz wird der Raum von SAVVY Contemporary zum Dokumentationszentrum für das Werk von Julius Eastman (1940-1990). Archivmaterial einschließlich Originalaufnahmen, Videoaufnahmen und Partituren werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Live Acts von Jace Clayton, Mwangi Hutter und Hassan Khan werden dem Programm Takt und Klang geben und dadurch die Perspektive auf Eastmans Werk ausweiten und erfindungsreich vertiefen. ‘Let Sonorities Ring’ ist das erste Kapitel in einem einjährigen Rechercheprojekt, das sich mit dem Leben und Arbeiten des afro-amerikanischen Komponisten, Vokalisten und Performers beschäftigt und in einer Ausstellung und einer ‘Julius Eastman Festschrift’ gipfeln wird.
Für politische Künstler*innen, wozu ich jede*n Künstler*in zähle, die oder der Wert darauf legt, sich der Ausdehnung der Kontrolle in sich selbst und in der Praxis bewusst zu sein, muss die Geste des Widerstandes immer wieder in Frage gestellt werden, ganz besonders jenseits der leicht wiederzugewinnenden referenziellen Relativismen, die unseren postmodernen Moment durchdringen...
Mit diesen Worten stellt der Komponist und Musiker Sam Shalabi das musikalische Werk von Hassan Khan vor, aber es ist genau dieser politische und akustische Grenzraum, den alle Künstler*innen dieses Projekts einnehmen. Künstler*innen, die über Julius Eastmans Praktik sprechen oder darauf mit alten oder neuen Arbeiten reagieren in dem sie sich mehr auf seine Musik, Stimmexperimente und Performances konzentrieren als seine biografische Geschichte. Khans Praktik umspannt die visuelle Kunst, das Schreiben und Musik, in einer tentakelartigen Herangehensweise, bei der alle Aspekte einander beeinflussen. Khan, ein musikalischer Autodidakt, war in der Musikszene seit Anfang der 90er Jahre in verschiedenen Erscheinungsformen aktiv. Seine elektroakustischen Kompositionen und live Performances trotzen der Klassifizierung und sind strukturell, sowie in ihren Anspielungen und Narrativen, extrem vielseitig. In manchen seiner Stücke können Popkultur, Musikgeschichte und Volksbewegungen in Aegypten, sowie Kairo als Stadt und ihre Lautlandschaften, als wichtige Einflüsse betrachtet werden. So zum Beispiel in einem seiner neuesten Werke, ‘Taraban” (2014), in welchem Khan zwei ägyptische Lieder von Youssef El Manialawy vom Anfang des 20. Jahrhunderts als Ausgangspunkt nimmt, und mit klassischen arabischen Melodiemustern und Instrumenten wie Oud, Qanoun und Riqq arbeitet, aber deren Klänge komplett neu formuliert. Im Kontext von ‘Let Sonorities Ring - Julius Eastman’ wird Khan Live Ammunition! Music for Clapping, String Quartet and Live Electronics” (2013) praesentieren, ein 40 minütiges Stück in dem verschiedene Schichten von Streicherquartetten und Klatschmustern als ‘Instrumente’ benutzt werden um einen musikalischen Horizont zu kreieren. Und zwar einen Horizont in dem Struktur das emotionale Engagement mit dem Stück reguliert, einen Horizont, der das Publikum zu unterschiedlich Zeitpunkten anzieht und distanziert. Ein Stück das an Aufhebung interessiert ist, und an den dramatischen doch subtilen Dialogen zwischen sich entgegengesetzten Elementen und dem zuhörenden Publikum.
Auch Jace Clayton bewegt sich zwischen verschiedenen Kontexten, und arbeitet als Künstler, Musiker, Softwaredesigner und DJ. Als DJ/rupture hat Clayton die halbe Welt bereist und in vielen verschiedenen Kollaborationen gearbeitet, die sich von Norah Jones zum Barcelona Symphonieorchester erstrecken, mit einer low budget Tour in Kolumbien zwischendurch. Claytons Arbeiten konzentrieren sich in seiner eigenen Wortwahl darauf, wie ‘Klang, Erinnerung und öffentlicher Raum interagieren mit einer Betonung auf Niedrigeinkommens-Gemeinschaften im globalen Süden.’ Ihn interessiert, wie Klang eine soziale Bedeutung schafft und wie neue elektronische Geräte für die Musikproduktion gefertigt werden können, die sich westlichen Vorstellungen von Klang widersetzen.
Eastmans Arbeiten sind ein wichtiger Referenzpunkt für Clayton, der eines der frühesten Stücke produzierte, das Eastmans Oeuvre gewidmet ist: das ‘Julius Eastman Memorial Dinner’, eine 70 minütige Performance fuer Klavier, live Elektronik, und Stimme. Fuer ‘Let Sonorities Ring – Julius Eastman’ wird Clayton ein neuen Stücke präsentieren, ‘ALLGEGENWART (OMNIPRESENCE document 1)”, ein neues Chorstück, das sich auf die grelle polizeiliche Nachtbeleuchtung seiner Nachbarschaft in Harlem bezieht. Mit dem Verständnis, dass diese grelle Beleuchtung eine Manifestation institutioneller Feindseligkeit gegenüber Schwarzen ist, wird der Chor sie ansingen. Er wird einen Raum für Kontemplation schaffen, der sich mit der Geschichte von Chormusik als heiliger Lobgesang an eine höhere Macht beschäftigt und gleichzeitig die Gefängnis-Infrastruktur neu nutzt. In ‘ALLGEGENWART’, zeigt Berlins PHØNIX16 Ensemble einen Ausschnitt von ‘OMNIPRESENCE’ in einem öffentlichen Konzert. Die Aufnahme wird dann von Clayton weiter in einer einstündigen radio-phonischen Komposition für Gesang und Elektronik bearbeitet.
Künstler*innen des PHØNIX16 Ensembles: Sirje Aleksandra Viise (Sopran), Eva Zwedberg (Sopran), Vanessa Chartrand-Rodrigue (Mezzo), Michael Taylor (Alt), Magnús Hallur Jónsson (Tenor), and Oskar Kozioek Goetz (Bariton).
Mwangi Hutter ist ein aus Ingrid Mwangi und Robert Hutter bestehendes Künstlerduo. Seit 2005 haben die beiden gemeinsam als verflochtene künstlerische Einheit an verschiedenen Projekten gearbeitet. Sie arbeiten mit Video, Ton, Fotografie, Installation, Skulptur, Malerei und Performance und benutzen einander als Resonanzboden um sich verändernde gesellschaftliche Realitäten zu reflektieren und eine Ästhetik des Selbst-Wissens und der Wechselbeziehungen zu schaffen. Stimme und Körper von Ingrid Mwangi spielen oft eine Rolle in ihren Performances. So zum Beispiel in ‘Drastic’ (2014), wo einzig die Stimme von Ingrid Mwangi eine umfassende Reihe unheimlicher Tonalitäten performt, die von emotionalen Momenten des Gelächters und der Verzweiflung zu Quasi-Nachahmung von natürlichen und animalischen Lauten spannen und eine leidenschaftliche Komposition schaffen.ür ‘Let Sonorities Ring – Julius Eastman’ präsentieren Mwangi Hutter ‘Yes, Own Axis’, eine Arbeit, die sich als Bestätigung der Künstler*innen innewohnenden Kreativität und ihres Potentials versteht. Kreisförmige Bewegungen, Einfachheit und Wiederholung sind bestimmende Faktoren in den Aktionen des Stückes, welches mit der Zeit eine hypnotisierende Wirkung entwickelt. Das Subjekt soll sich komplett im Gegenwartsmoment versenken und von Inspiration, Erinnerung und innerem Wissen schöpfen, um die eigenen Stimme auszudrücken. Das Objekt soll über Meinungen und Konzepte dessen, was akzeptabel ist, erhaben sein. Durch das Gehenlassen von narrativer und illustrativer Bedeutung wird ein tieferes Verständnis des Schaffensprozesses und der Einflüsse von gesellschaftlichen Erwartungen auf das die Freiheit suchende Individuum gewonnen.